Aktuelles
Verlegerpost: Das neue Buch von Herrn Hosemann
Über „Papierkorb“ von Jürgen Hosemann
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Als ich Jürgen Hosemann zum ersten Mal begegnete, war er in Berlin, um sich um einen Autor zu kümmern. Der Autor war Uwe Preuss, ein Schauspieler, der in jedem tollen Polizeiruf 110 aus Rostock den Kriminalhauptkommissar spielt – einen Chef mit einer auf schöne Weise zu groß geratenen Brille, der seine Leute mit einer Mischung aus Strenge und Nachgiebigkeit zu führen weiß. Die Kommissare werden geduzt und duzen ihren Chef. Uwe Preuss hatte gerade sein Debüt als Schriftsteller gefeiert, im Fischer Verlag, wo Hosemann sein Lektor ist. »Katzensprung« ist ein Buch, das erzählt, wie das war: Heranwachsen in der Hauptstadt der DDR, eher unten als oben. Und es ist richtig gute Literatur.
Jürgen Hosemann war allerdings vor allem in unser Büro in der Berliner Sophienstraße gekommen, um sich als frisch für unser Programm gekürter Autor vorzustellen. Wir unterhielten uns bestens, wahrten dabei freilich, wie mir auffiel, durchaus eine gewisse Förmlichkeit, die, wie mir schien, fast ein wenig wie den Regeln einer barocken Tanzanleitung entsprungen schien. Sehr komisch!
Durch vielleicht zu viel Erfahrung mit Spaniern und Lateinamerikanern bin ich es gewohnt, Menschen, die man kennengelernt hat und mit denen man danach immer wieder etwas zu tun hat (und Autoren sind ja sowas), relativ rasch, eigentlich schon nach zwei Sätzen, per Du zu behandeln. Eine der schönsten Erfahrungen in diesen Hinsicht fand vor vielen Jahren im Rahmen des Salon du livre in Paris statt, als ich, als Lektor eines unvergleichlichen spanischen Autors namens Javier Tomeo, von seinem Verleger, meinem Freund und Lehrmeister Jorge de Herralde, zu einer Audienz beim spanischen Botschafter in Paris mitgenommen wurde. Sie fand in der spanischen Botschaft statt, einem Belle-Époque-Palais mit riesigem, verschwenderisch golden ornamentierten Empfangssaal, in dem, an jenem Vormittag, drei goldene Stühle standen.
Auf einem nahm der Botschafter Platz und danach wir auf den anderen, in der Mitte ein, sicher goldenes, Tischchen mit rabenschwarzem Kaffee. Es wurde gar nicht erst viel herumexzellenziert und durchgelaucht; stattdessen wollte der Botschafter, per Du, wissen – wichtige Frage in Spanien – wo das jeweilige Pueblo lag, aus dem wir stammten. Das Pueblo lag im Fall meines Kollegen in Barcelona, im Falle von Javier lag es tatsächlich, zur großen und mit idiomatischen Reichtümern kommentierten Freude seiner Exzellenz (ich habe den Vornamen leider nicht behalten), weitab irgendwo in Aragón. Dass mein Dorf Hamburg hieß, fand er ebenfalls interessant. Es wurde eine wunderbare, auch in Richtung Exzellenz per Du gehandhabte Unterhaltung, die nach eine halben Stunde höflichkeitshalber zu Ende ging. Vielleicht lag es an den goldenen Jahren der spanischen Kulturpolitik unter Javier Solana, dass diese Audienz so stattfand. Es sind Erlebnisse wie dieses, die mir in Momenten immer wieder das Vorurteil beschert haben, demzufolge in Spanien die besseren Leute wohnen. Cum grano salis.
Mit Jürgen Hosemann bin ich beim Sie geblieben. Ist es ein Zufall, dass in dem Programm, in dem unter dem Titel »Papierkorb. Über Leben und Schreiben« gerade seine ebenso unterhaltsamen wie tiefsinnigen Tweets zum Lesen, Leben und Schreiben erschienen sind, seine Autorin Katharina Hacker vor zwei Jahren ein kleines, feines Buch erscheinen ließ, dem sie den umwerfenden, weil ebenso rätselhaften wie wahren Titel »Darf ich dir das Sie anbieten?« gab? Mit ihr bin schon lange per Du, und das lässt sich auch nicht mehr ändern. Aber mit ihrem Lektor wird das möglicherweise nichts mehr, das weiß ich, und es gefällt mir, denn ich betrachte ihn als eine zumal in Dingen der Literatur mit vorsichtiger Hochachtung zu behandelnde Respektsperson.
Vor zwei Jahren, im Sommer 2020, erschien sein erstes Buch bei uns: »Das Meer am 31. August«. Ein Monolog vom Strand in Grado, einem zwischen Venedig und Triest gelegenen, eher verschlafenen Seebad, einst von habsburgischen Beamten gern frequentiert. Das Buch beschreibt, was dort im Verlauf von vierundzwanzig Stunden passiert, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist ein Text, der einen beim Lesen in eine sanfte Trance versetzt, tatsächlich jener nicht unähnlich, in die man in einer glücklichen Stunde am genau richtigen Ort am Meer fallen kann und die man auskosten muss bis zur Neige. Bei Jürgen Hosemann beginnt sie morgens um vier und hört nachts um ungefähr dieselbe Zeit auf, genau kann man es kaum sagen, denn wenn man an diesem Punkt angekommen ist, will sagen am Ende von 112 Seiten, möchte man erst einmal die Augen schließen und dem glücklich hinterher sinnen, was man gerade lesend erfühlen konnte.
Das neue Buch von Herrn Hosemann ist nicht einmal so anders, obwohl es auf den ersten Blick gar nichts mit dem „Meer am 31. August“ zu tun hat. Was die beiden verbindet, ist ein schwer zu beschreibender Gestus. Es mag ja nicht unbedingt ein Ausdruck von Lakonie sein, wenn man aufschreibt, was sich in vierundzwanzig Stunden an einem Adriastrand zuträgt, eher das Gegenteil. Aber wenn man das macht, macht man eben nichts anderes, überhaupt nichts. Der Strand in Herrn Hosemanns neuem Buch heißt »Papierkorb«. Zeiträume spielen hier keine Rolle mehr. Wir befinden uns im Tweet-Zeitalter, in dem die vielen klugen und sehr, sehr komischen Schnipsel entstanden sind, die dieses Buch füllen, und zu dem sie, auch, gehören. Einer Zeit also, die sich zwischen der unergründlichen Weite des Internets und dem Moment erstreckt, in dem eine Currywurst vom Pappteller rutscht oder ein Blatt Papier, leer oder beschrieben, vom Tisch segelt, wohin auch immer. Currywürste kommen nicht vor in diesem Buch. Dabei wirkt es in Teilen wie an einem unsichtbaren Resopaltisch notiert, der in Ingomanns Wurstbude steht, dort, wo einer der bedeutendsten Hamburger Philosophen namens Ditsche zu Gast ist.
Trotzdem oder gerade deswegen behaupte ich, dass in diesem Programm nie ein tiefsinnigeres Buch über Leben und Literatur erschienen ist, ausgenommen vielleicht Claude Simons »Der Fisch als Kathedrale« von vor acht Jahren, vielleicht das klügste überhaupt (und immer noch lieferbar!). Aber wäre Claude Simon eine Wahrheit eingefallen wie jene, die da lautet: »Ganz ehrlich: Bücher sind was für Leute, die zu dumm sind, Netflix zu abonnieren.«? Sie steht auf der ersten Seite von Jürgen Hosemanns Buch, das mit dem Satz anfängt: »Erst am Ende fällt uns ein, wie alles richtig geschrieben gehört, aber dann wird es niemand mehr lesen.« Und wie hört es auf? »Schluss jetzt, ich habe eine Idee.« Um zu rekapitulieren, was sich dazwischen befindet, ist ein Newsletter nicht da. Lesen Sie selbst und verschenken Sie bitte dieses einzigartige Buch. Unbedingt auch an Leute, denen Sie normalerweise kein Buch, sondern lieber ganz was anderes schenken würden.
Vor vielen Jahren haben wir hier mal ein Plakat gedruckt, auf dem ein Satz stand, der es nicht mehr in Jürgen Hosemanns Buch geschafft hat. Das Copyright liegt schließlich bei einem anderen Hamburger Philosophen, dem jüngst verstorbenen, von mir sehr betrauerten Uwe Seeler. Als er 1965 mit kaputter Achillessehne im Krankenhaus lag, wurde er interviewt und sprach: »Ich muss auch mal wieder zum Lesen kommen.« Klingt heute wie wunderbarer Zunder für jene Sonntagsreden, in denen beschworen wird, wie unendlich wichtig das Lesen in Büchern ist und wie es unser aller Leben verändert, besser macht und so weiter und so fort. Ich finde, man sollte das mit dem Lesen und wie wahnsinnig wichtig es ist, nicht ernster nehmen als Uwe Seeler oder Jürgen Hosemann. Schließlich handelt es sich dabei um eine vergleichsweise minoritäre Tätigkeit, die inzwischen zu achtzig Prozent von Frauen ausgeübt wird und durch nicht einen einzigen Grundsatzartikel oder gar Bücher über die Freuden des Lesens gefördert wird, wie sie immer noch periodisch erscheinen und liebevoll besprochen werden.
Jürgen Hosemanns Buch wird daran auch nichts grundsätzlich ändern. Aber es macht nicht nur Spaß, sondern auch Hoffnung. Und zwar nicht nur den Lesern, sondern auch all jenen, die sich sehnen, wonach auch noch der versierteste Blogger, Influencer, Twitter-Weltmeister oder sonstige Digital-Aficionado sich sehnt: ein (auf Papier gedrucktes) Buch zu veröffentlichen, das er (oder sie), in wesentlichen Teilen, selbst geschrieben hat. Jürgen Hosemann bietet sich hier als perfekter Adressat: »Ich habe gehört, du hast ein Buch geschrieben, aber lass uns ruhig erst mal darüber sprechen: Wie groß bist du und wie viel wiegst du eigentlich?« Allein für sowas würde ich Herrn Hosemann eines fernen Tages doch gern das Du anbieten. Oder hab ich’s schon und nur vergessen?
Mit seinem Pueblo hätte er beim spanischen Botschafter übrigens punkten können, denn Mayen in der Eifel hätte sehr viel mehr Erklärungen erfordert als Hamburg oder Barcelona.
Lesen Sie weiter!
Ihr
Heinrich v. Berenberg
Über „Papierkorb“ von Jürgen Hosemann
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Als ich Jürgen Hosemann zum ersten Mal begegnete, war er in Berlin, um sich um einen Autor zu kümmern. Der Autor war Uwe Preuss, ein Schauspieler, der in jedem tollen Polizeiruf 110 aus Rostock den Kriminalhauptkommissar spielt – einen Chef mit einer auf schöne Weise zu groß geratenen Brille, der seine Leute mit einer Mischung aus Strenge und Nachgiebigkeit zu führen weiß. Die Kommissare werden geduzt und duzen ihren Chef. Uwe Preuss hatte gerade sein Debüt als Schriftsteller gefeiert, im Fischer Verlag, wo Hosemann sein Lektor ist. »Katzensprung« ist ein Buch, das erzählt, wie das war: Heranwachsen in der Hauptstadt der DDR, eher unten als oben. Und es ist richtig gute Literatur.
Jürgen Hosemann war allerdings vor allem in unser Büro in der Berliner Sophienstraße gekommen, um sich als frisch für unser Programm gekürter Autor vorzustellen. Wir unterhielten uns bestens, wahrten dabei freilich, wie mir auffiel, durchaus eine gewisse Förmlichkeit, die, wie mir schien, fast ein wenig wie den Regeln einer barocken Tanzanleitung entsprungen schien. Sehr komisch!
Durch vielleicht zu viel Erfahrung mit Spaniern und Lateinamerikanern bin ich es gewohnt, Menschen, die man kennengelernt hat und mit denen man danach immer wieder etwas zu tun hat (und Autoren sind ja sowas), relativ rasch, eigentlich schon nach zwei Sätzen, per Du zu behandeln. Eine der schönsten Erfahrungen in diesen Hinsicht fand vor vielen Jahren im Rahmen des Salon du livre in Paris statt, als ich, als Lektor eines unvergleichlichen spanischen Autors namens Javier Tomeo, von seinem Verleger, meinem Freund und Lehrmeister Jorge de Herralde, zu einer Audienz beim spanischen Botschafter in Paris mitgenommen wurde. Sie fand in der spanischen Botschaft statt, einem Belle-Époque-Palais mit riesigem, verschwenderisch golden ornamentierten Empfangssaal, in dem, an jenem Vormittag, drei goldene Stühle standen.
Auf einem nahm der Botschafter Platz und danach wir auf den anderen, in der Mitte ein, sicher goldenes, Tischchen mit rabenschwarzem Kaffee. Es wurde gar nicht erst viel herumexzellenziert und durchgelaucht; stattdessen wollte der Botschafter, per Du, wissen – wichtige Frage in Spanien – wo das jeweilige Pueblo lag, aus dem wir stammten. Das Pueblo lag im Fall meines Kollegen in Barcelona, im Falle von Javier lag es tatsächlich, zur großen und mit idiomatischen Reichtümern kommentierten Freude seiner Exzellenz (ich habe den Vornamen leider nicht behalten), weitab irgendwo in Aragón. Dass mein Dorf Hamburg hieß, fand er ebenfalls interessant. Es wurde eine wunderbare, auch in Richtung Exzellenz per Du gehandhabte Unterhaltung, die nach eine halben Stunde höflichkeitshalber zu Ende ging. Vielleicht lag es an den goldenen Jahren der spanischen Kulturpolitik unter Javier Solana, dass diese Audienz so stattfand. Es sind Erlebnisse wie dieses, die mir in Momenten immer wieder das Vorurteil beschert haben, demzufolge in Spanien die besseren Leute wohnen. Cum grano salis.
Mit Jürgen Hosemann bin ich beim Sie geblieben. Ist es ein Zufall, dass in dem Programm, in dem unter dem Titel »Papierkorb. Über Leben und Schreiben« gerade seine ebenso unterhaltsamen wie tiefsinnigen Tweets zum Lesen, Leben und Schreiben erschienen sind, seine Autorin Katharina Hacker vor zwei Jahren ein kleines, feines Buch erscheinen ließ, dem sie den umwerfenden, weil ebenso rätselhaften wie wahren Titel »Darf ich dir das Sie anbieten?« gab? Mit ihr bin schon lange per Du, und das lässt sich auch nicht mehr ändern. Aber mit ihrem Lektor wird das möglicherweise nichts mehr, das weiß ich, und es gefällt mir, denn ich betrachte ihn als eine zumal in Dingen der Literatur mit vorsichtiger Hochachtung zu behandelnde Respektsperson.
Vor zwei Jahren, im Sommer 2020, erschien sein erstes Buch bei uns: »Das Meer am 31. August«. Ein Monolog vom Strand in Grado, einem zwischen Venedig und Triest gelegenen, eher verschlafenen Seebad, einst von habsburgischen Beamten gern frequentiert. Das Buch beschreibt, was dort im Verlauf von vierundzwanzig Stunden passiert, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist ein Text, der einen beim Lesen in eine sanfte Trance versetzt, tatsächlich jener nicht unähnlich, in die man in einer glücklichen Stunde am genau richtigen Ort am Meer fallen kann und die man auskosten muss bis zur Neige. Bei Jürgen Hosemann beginnt sie morgens um vier und hört nachts um ungefähr dieselbe Zeit auf, genau kann man es kaum sagen, denn wenn man an diesem Punkt angekommen ist, will sagen am Ende von 112 Seiten, möchte man erst einmal die Augen schließen und dem glücklich hinterher sinnen, was man gerade lesend erfühlen konnte.
Das neue Buch von Herrn Hosemann ist nicht einmal so anders, obwohl es auf den ersten Blick gar nichts mit dem „Meer am 31. August“ zu tun hat. Was die beiden verbindet, ist ein schwer zu beschreibender Gestus. Es mag ja nicht unbedingt ein Ausdruck von Lakonie sein, wenn man aufschreibt, was sich in vierundzwanzig Stunden an einem Adriastrand zuträgt, eher das Gegenteil. Aber wenn man das macht, macht man eben nichts anderes, überhaupt nichts. Der Strand in Herrn Hosemanns neuem Buch heißt »Papierkorb«. Zeiträume spielen hier keine Rolle mehr. Wir befinden uns im Tweet-Zeitalter, in dem die vielen klugen und sehr, sehr komischen Schnipsel entstanden sind, die dieses Buch füllen, und zu dem sie, auch, gehören. Einer Zeit also, die sich zwischen der unergründlichen Weite des Internets und dem Moment erstreckt, in dem eine Currywurst vom Pappteller rutscht oder ein Blatt Papier, leer oder beschrieben, vom Tisch segelt, wohin auch immer. Currywürste kommen nicht vor in diesem Buch. Dabei wirkt es in Teilen wie an einem unsichtbaren Resopaltisch notiert, der in Ingomanns Wurstbude steht, dort, wo einer der bedeutendsten Hamburger Philosophen namens Ditsche zu Gast ist.
Trotzdem oder gerade deswegen behaupte ich, dass in diesem Programm nie ein tiefsinnigeres Buch über Leben und Literatur erschienen ist, ausgenommen vielleicht Claude Simons »Der Fisch als Kathedrale« von vor acht Jahren, vielleicht das klügste überhaupt (und immer noch lieferbar!). Aber wäre Claude Simon eine Wahrheit eingefallen wie jene, die da lautet: »Ganz ehrlich: Bücher sind was für Leute, die zu dumm sind, Netflix zu abonnieren.«? Sie steht auf der ersten Seite von Jürgen Hosemanns Buch, das mit dem Satz anfängt: »Erst am Ende fällt uns ein, wie alles richtig geschrieben gehört, aber dann wird es niemand mehr lesen.« Und wie hört es auf? »Schluss jetzt, ich habe eine Idee.« Um zu rekapitulieren, was sich dazwischen befindet, ist ein Newsletter nicht da. Lesen Sie selbst und verschenken Sie bitte dieses einzigartige Buch. Unbedingt auch an Leute, denen Sie normalerweise kein Buch, sondern lieber ganz was anderes schenken würden.
Vor vielen Jahren haben wir hier mal ein Plakat gedruckt, auf dem ein Satz stand, der es nicht mehr in Jürgen Hosemanns Buch geschafft hat. Das Copyright liegt schließlich bei einem anderen Hamburger Philosophen, dem jüngst verstorbenen, von mir sehr betrauerten Uwe Seeler. Als er 1965 mit kaputter Achillessehne im Krankenhaus lag, wurde er interviewt und sprach: »Ich muss auch mal wieder zum Lesen kommen.« Klingt heute wie wunderbarer Zunder für jene Sonntagsreden, in denen beschworen wird, wie unendlich wichtig das Lesen in Büchern ist und wie es unser aller Leben verändert, besser macht und so weiter und so fort. Ich finde, man sollte das mit dem Lesen und wie wahnsinnig wichtig es ist, nicht ernster nehmen als Uwe Seeler oder Jürgen Hosemann. Schließlich handelt es sich dabei um eine vergleichsweise minoritäre Tätigkeit, die inzwischen zu achtzig Prozent von Frauen ausgeübt wird und durch nicht einen einzigen Grundsatzartikel oder gar Bücher über die Freuden des Lesens gefördert wird, wie sie immer noch periodisch erscheinen und liebevoll besprochen werden.
Jürgen Hosemanns Buch wird daran auch nichts grundsätzlich ändern. Aber es macht nicht nur Spaß, sondern auch Hoffnung. Und zwar nicht nur den Lesern, sondern auch all jenen, die sich sehnen, wonach auch noch der versierteste Blogger, Influencer, Twitter-Weltmeister oder sonstige Digital-Aficionado sich sehnt: ein (auf Papier gedrucktes) Buch zu veröffentlichen, das er (oder sie), in wesentlichen Teilen, selbst geschrieben hat. Jürgen Hosemann bietet sich hier als perfekter Adressat: »Ich habe gehört, du hast ein Buch geschrieben, aber lass uns ruhig erst mal darüber sprechen: Wie groß bist du und wie viel wiegst du eigentlich?« Allein für sowas würde ich Herrn Hosemann eines fernen Tages doch gern das Du anbieten. Oder hab ich’s schon und nur vergessen?
Mit seinem Pueblo hätte er beim spanischen Botschafter übrigens punkten können, denn Mayen in der Eifel hätte sehr viel mehr Erklärungen erfordert als Hamburg oder Barcelona.
Lesen Sie weiter!
Ihr
Heinrich v. Berenberg