»In jedem dicken Buch steckt ein dünnes, das schreit:
Ich will raus!«Robert Darnton
»Warum?«
Robert Schumann
»Es ist nie zu spät, wenn die Suppe gut ist.«
Ramón Gómez de la Serna
»Sag niemals nie.«
Ian Fleming
»Don’t take yourself too bloody serious.«
Dwight Morrow
»Nehmen Sie die Perücke ab.«
Gilbert K. Chesterton
Mit diesen Leitsätzen im ersten Programm wurde der Berenberg Verlag 2004 von Petra und Heinrich von Berenberg gegründet.
Ein Grund, warum man vom Lektor zum Verlagsgründer mutiert, ist der Wunsch, irgendwann den Büchern, die man entdeckt hat, den eigenen Stempel aufzuprägen. »Freund und Feind« von John Maynard Keynes, seit achtzehn Jahren in diesem Verlag lieferbar und immer wieder nachgedruckt, war in dieser Hinsicht ein »Ur-Buch«: Mit diesem Titel, entdeckt Ende der neunziger Jahre auf dem Pariser Salon du livre, verband sich zum ersten Mal der Wunsch, ein eigenes, nicht belletristisches Verlagsprogramm zu entwickeln. Die ersten vier Bücher erschienen im Herbst 2004, und zunächst kamen pro Halbjahr zwischen drei und fünf weitere hinzu. Roter Faden: autobiografische und biografische Literatur, Essay-Literatur, Memoiren-Literatur – Betonung auf »Literatur«!
»Endlich wieder schöne Bücher!« –
so lautete eines der ersten Verlagsplakate. Tatsächlich hatten wir uns vorgenommen, zusammen mit unserer ersten Graphik-Adresse, Rainer Groothuis' Hamburger Werkstatt, mithilfe von schwarzem Halbleinen, schönen Vorsatzblättern, sorgfältiger Typographie, schönem Papier und schön gestalteten Umschlägen, dem Sammeltrieb der Bücherleser und den Schaufenstern der Buchhandlungen ausreichend Stoff zu geben. Damit diese Bücher nicht zu teuer in der Herstellung wurden, beachteten wir in den ersten Jahren einen Grundsatz, den mir 1990 der amerikanische Historiker Robert Darnton mit auf den Weg gegeben hatte: »In jedem dicken Buch steckt ein dünnes, das schreit: Ich will raus!«
Inzwischen kann man nicht mehr behaupten, dass der Umfang unserer Bücher die 200 Seiten nie überschreitet. Wie jedes Prinzip, musste auch dieses im Laufe der Zeit möglichst schlau unterlaufen werden. Was soll man machen, wenn Richard von Schirach ein Buch wie »Die Nacht der Physiker« schreibt und bei Seite 200 einfach nicht aufhört? Oder wenn Georg von Wallwitz »Die große Inflation« beschwört und erklärt und dafür selbstverständlich Platz braucht? So gibt es inzwischen auch dickere Bücher bei uns, mit allem Drum und Dran, aber etwas kleiner im Format und mit einem runden Rücken – ein gestalterisches Meisterstück, in dem, oh Wunder, inzwischen auch dünne Bücher elegantissime erscheinen können! Alle Hardcover-Originalausgaben unsere Bücher werden seit 2004 fadengeheftet und in schwarzes Halbleinen mit schönen Vorsatzblättern gebunden. Papier und Typografie sind von ausgesuchter Qualität. Dafür sorgen Antje Haack und Beate Zimmermanns, in deren Händen Gestaltung und Herstellung seit vielen Jahren liegen.
In diesen, sagen wir mal, »klassischen« Formaten erscheint bei uns erstklassige Literatur. Vergeblich wird man dickleibige Biografien suchen. Finden wird man hingegen nicht mehr nur rhetorisch funkelnde und dezidiert subjektiv gehaltene biografische und autobiografische Literatur und Essays und Bücher zur Zeitgeschichte, sondern seit 2010 auch hervorragende, deutschsprachige und internationale Belletristik: zum Beispiel die unvergleichliche Christine Wunnicke, aber auch herausragende internationale Autoren wie Héctor Abad aus Kolumbien, Selva Almada aus Argentinien, Eliot Weinberger aus New York.
Apropos unterlaufene Prinzipien: Warum eigentlich ständig Hardcover? Darf es nicht mal etwas weicher werden? Den Wunsch danach gab es schon immer. Seit 2020 ist er erfüllt. Es gibt seitdem die Inhalte unseres Verlagsprogramms auch in preiswerter, elegant broschierter Paperback-Form. Das ermöglicht die Wiederaufnahme besonders erfolgreicher Titel (»Odysseus und die Wiesel« von Georg von Wallwitz, »Muss es sein?« von Sonia Simmenauer), aber auch den Zugang zu mehr oder weniger heiß diskutierten Gegenwartsproblemen, die eine edle Verpackung in Halbleinen samt Fadenheftung eher nicht vertragen – Elisa Diallo und Christiane Schlötzer haben es vorgemacht.
Und dann kommt eines Tages Katharina Hacker auf die Idee, in unserem Programm »Minutenessays« zu veröffentlichen. Für so etwas gibt es jetzt die »Reihe Hacker« (ein provisorischer Titel, der sich in meinem Kopf festgesetzt hat). Sie beherbergt inzwischen (meist einmal pro Programm) in einem Jackentaschen-gängigen Format in farbiges Leinen gebundene literarische Feinheiten, die mitunter ohne weiteres auch nur 70 Seiten zu haben brauchen. Eliot Weinbergers »Die Sterne« leuchtet in einem so schmalen Format besonders strahlend.
Der Berenberg Verlag ist ein Literaturverlag mit viel Non-Fiction im Programm. Wir bemühen uns um deutschsprachige Literatur, sind aber störrisch international. Leider vollkommen verwestlicht, weil uns nur Sprachen aus jener Himmelsrichtung vertraut sind – eine Regel, die wir gelegentlich mit Begeisterung über Bord werfen, etwa für den Roman »Eine Nebensache«, den Adania Shibli nun einmal auf Arabisch geschrieben hat.
Die Arbeit dieses Verlags ist nicht spurlos an der Öffentlichkeit vorbeigegangen. Die Presse und das Blog- und Bookstagram-Universum haben unsere Bücher dankenswerterweise nicht grundsätzlich mit Zustimmung, aber mit großem Respekt behandelt, und dafür sind wir dankbar.
Bedanken möchte ich mich auch bei Klaus Wagenbach, für die Luftschlösser, und bei meiner Freundin Antje Kunstmann für deren Statik, für die sie mit einer langjährigen Vertriebskooperation gesorgt hat – sie beide sind die Ries·innen, auf deren Schultern dieser Verlag entstanden ist.
Preise haben wir auch bekommen:
2010 den schönen Karl-Heinz-Zillmer Preis der Kulturstiftung meiner Heimatstadt Hamburg
2015 den Kurt-Wolff-Preis der gleichnamigen Stiftung zur Förderung unabhängiger Verlage
2019 den Berliner Verlagspreis (gemeinsam mit den Kollegen vom Verbrecher-Verlag)
2019, 2020 und 2023 den Deutschen Verlagspreis.
Heinrich von Berenberg
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